Montag, 23. September 2013

Kapitel 12- Clockwork to the end

Dezember

Weisser, unangetasteter Schnee lag auf den Ländereien von Hogwarts. Imogene Malfoy lehnte ihre Stirn gegen die kühle Fensterscheibe und starrte nach draußen. Vor wenigen Minuten hatte sie noch eine hitzige Diskussion mit Nate geführt. Seit er hier war, ging es in ihrem Kopf nur noch drunter und drüber. Denn sie hatte nicht erwartet, dass er so nett wäre. Als sie ihm das letzte Mal begegnet war, vor seiner Versetzung nach Amerika, war er ein ungehobelter, unfreundlicher Unruhestifter gewesen, von dem sie sich schon aus Prinzip ferngehalten hatte. Und jetzt? Er war charmant, höflich, nett und sah verdammt gut aus. Innerhalb kürzester Zeit hatte er sich sehr beliebt unter den Mädchen gemacht. Er war ernsthafte Konkurrenz für Albus.
Und ironischerweise passte es Imogene nicht. Denn es gab eine Verbindung zwischen ihr und dem Potter, die niemand verstehen könnte. Selbst sie wusste nicht, wie das passiert war.
Araneas aufgeregte Stimme riss sie aus ihren Gedanken, als sie ins Zimmer gestürmt kam: “Imogene, du bist ja noch immer nicht angezogen! Willst du etwa im Bademantel zum Ball gehen?” Gene musterte ihre Schwester, die in einem kurzen schwarzen Kleid vor ihr stand und sich die Haare kunstvoll gelockt und zur Seite gesteckt hatte. Aranea sah wirklich fantastisch aus.
“Nein, das hatte ich nicht vor”, gab Gene lächelnd zurück und stand auf, “du siehst wirklich gut aus.” Araneas Lächeln zeigte den typischen Stolz, den sie sich nie bemühte zu verbergen. Sie drehte sich einmal um die eigene Achse: “Ich weiß. Hoffentlich denkt Adrian an den weissen Blumenstrauß. Andernfalls muss ich ihn wohl an der Unterwäsche aufhängen.” Sie lachte und griff nach ihren silbernen Schuhen, in die sie sogleich schlüpfte.
Imogene zog ihren Bademantel aus und präsentierte sich in einem nachtblauen Kleid, das auf Kniehöhe endete. Dazu trug sie eine silberne Kette mit Saphir Anhänger, die sie von ihrer Großmutter bekommen hatte. Zum ersten Mal fühlte sie sich nicht mehr als kleines Mädchen sondern als junge Frau.
“Das steht dir sehr gut”, meinte Aranea anerkennend und fast glaubte ihre Schwester, so etwas wie Neid aus ihrer Stimme zu hören. Doch das war absurd. Aranea war nie neidisch auf sie, das war eher umgekehrt so.
“Wieso gehst du mit Adrian hin? Du hättest doch Fred fragen können”, wollte Imogene wissen und bemerkte mit Genugtuung, dass ihre Zwillingsschwester verlegen wurde. Selten kam sie in diesen Genuss.
“Du denkst doch nicht ernsthaft, ich würde mich  mit einem Wiesel blicken lassen?”, fragte Aranea mit angewiderter Miene und konnte dennoch ihre Verlegenheit nicht verbergen. Imogene lachte nur und griff sich ihre kleine Handtasche, dann zog sie ihre Schwester mit sich.
Zum letzten Mal waren sie eine Einheit.

*~*~*

Mit dem Rücken zur großen Doppeltür, die in die festlich geschmückte Halle führte, betrachtete Narcissa Malfoy die kleine Schülergruppe, die sich noch ein letztes Mal über die Regelungen unterhielten. Mit Stolz blickte sie auf ihren Enkel Scorpius, der ohne Probleme den Ton angab. Nur Rose Weasley fuhr ihm manchmal über den Mund, was der Malfoy anscheinend aber locker nahm und ihr sehr locker die Stirn bot. Narcissas Blick wanderte auf die kleine kristallene Uhr an ihrem Handgelenk. In weniger als einer halben Stunde würde der Saal voller Schüler sein, die tanzten, sich amüsierten und einen Abend lang die allumfassende Strenge der Schule von sich fallen ließen.
Cissy selbst gehörte schon fast zu ihnen, mit einem Lächeln auf den Lippen und fast schon glücklich. Das Treffen mit Andromeda vor einer Woche war ausgesprochen gut gelaufen, auch wenn die Gründe weniger erfreulich waren.

Andromeda stand am Tor zu ihrem Garten und hatte sie in nervöser, freudiger Erwartung angesehen. Das graumelierte Haar zu einem straffen Knoten gebunden und die Klamotten sehr sorgfältig gewählt, machte sie den Eindruck einer strengen Lehrerin und Narcissa war unsicher, wie sie aufeinander reagieren würden.
Als würden keine vierzig Jahre zwischen ihnen liegen, fielen sie sich in die Arme und noch nie im Leben hatte Cissy sich so willkommen gefühlt wie in den Armen ihrer Schwester. Es war die richtige Entscheidung gewesen. Definitiv.
Beinahe den ganzen Tag saßen sie beisammen, erzählten sich alles, was ihnen in den Sinn kam. Andromeda fluchte über Lucius und Narcissa sprach ihr Mitleid wegen Nymphadora aus. Sehr gerne hätte sie ihre Nichte kennengelernt. Als es Abend wurde, mussten sie sich langsam aber sicher den unangenehmen Themen widmen.
“Ich habe dir geschrieben, weil ich dich warnen wollte”, kam Andromeda zum Punkt, “ich habe das Gefühl, etwas braut sich zusammen und deine Familie ist darin sehr involviert. Deine Familie und Bella.”
Ungläubig sah Narcissa ihre Schwester an, als sie sprach war ihre Stimme nur ein rauhes Flüstern: “Andra..Bella ist seit zwanzig Jahren tot.” Sie wusste nicht, was ihr Gegenüber sich da zusammenreimte und glauben wollte sie es erst recht nicht.
“Das ist mir durchaus bewusst, Cissy. Aber Bella war schon immer gut darin, Grenzen zu umgehen und überschreiten. Wer sagt, dass sie es diesmal nicht wieder getan hat?” Das hatte Narcissa nachdenklich gestimmt und schließlich musste sie ihr nickend zustimmen. Ja. Grenzen überschreiten konnte Bellatrix schon immer gut. Doch sie selbst war auch nicht besser. Seit fünfzehn Jahren trug sie ein Geheimnis mit sich herum, eine Überschreitung der Grenzen…

Und damit kehrte Cissy wieder ins Hier und Jetzt zurück. Sie hatte ihrer Schwester nichts von dem Geheimnis erzählt. Es war eine Sache zwischen Lucius, Astoria, Draco und ihr. Jede Person, die es sonst erfuhr, wusste damit eindeutig zuviel. Und es war gut so, wie es jetzt war. Die breite Flügeltür hinter ihr schwang auf und die ersten Paare kamen hereingeschwebt. Unter ihnen Aranea und Imogene mit ihren Begleitern. Die Mädchen sahen wirklich hinreißend aus und ein weiteres Mal wurde Narcissa von Stolz erfüllt. Die Beiden hatten sich zu wunderschönen, starken jungen Frauen entwickelt, mit einem angemessenen Anteil von Stolz, aber auch Toleranz. Selbst wenn Aranea das nicht so offen zeigte, war sie ein sehr toleranter Mensch geworden, der nur von seinem Stolz geblendet war.
Und auch die Begleiter ihrer Enkelinnen konnten sich durchaus sehen lassen. Narcissa war nicht sonderlich glücklich damit gewesen, dass Draco Imogene einen Verlobten aufgebürdet hatte, nur um sie vor etwaigen Fehltritten abzuhalten, doch so unglücklich schien die Kleine gar nicht mehr zu sein mit der Wahl. Das war sehr beruhigend, sie sah Gene nicht gerne leiden. Ehe sie sich versah, stand diese vor Cissy.
“Grandma!”, grinste Imogene und umarmte sie, “du siehst toll aus!” Cissy lächelte und strich ihrer Enkelin eine Haarsträhne aus dem Gesicht, die sich verirrt hatte.
“Das kann ich nur zurückgeben. Ihr beide seht absolut bezaubernd aus”, merkte sie an und lächelte auch Aranea zu, deren Miene vor Stolz fast platzte. Mit nichts mehr konnte man ihr eine größere Freude machen, als mit einem Kompliment. Es sei denn, man hieß Fred Weasley und sprach mit ihr.
Nathaneal begrüßte Narcissa höflich und entführte Imogene dann gleich auf die Tanzfläche, Adrian tat es ihm gleich und verschwand mit Aranea. Als Cissy ihren Enkeltöchtern nachsah, mischte sich Wehmut in ihre Gefühle. Sie wurden so schnell erwachsen.

*~*~*

Albus sah sich unzufrieden im Spiegel an. Seine Haare sahen seltsam aus, seit seine Schwester versucht hatte, sie mit einem Zauber zu kürzen. Hätte er sie nur nicht rangelassen. Zwar hatte er es mit viel Mühe hinbekommen, dass sie wieder glatt waren und nicht so katastrophal aussahen wie zuvor, aber es reichte ihm nicht.
Sein Festumhang war schlicht gehalten, ähnelte einem Smoking sehr und nur die blauen Seidensäume an Kragen und Ärmeln hoben ihn von der Menge ab.
Er warf einen kurzen Blick auf seine Armbanduhr. Ups, es wurde langsam Zeit, Miranda abzuholen. Er zog seine Fliege gerade und verließ dann den Schlafsaal. Mit zielstrebiger Sicherheit ging er nach unten in die Kerker, um vor dem Gemeinschaftsraum auf seine Begleitung zu warten. Sein Gefühl sagte ihm, dass es nicht nur der Weihnachtsball war, sondern der Auftakt für etwas Großes. Es erfüllte ihn mit Spannung und einer leichten Unruhe, die jedoch ganz angenehm war.
Als die Steinwand sich öffenete, hob er den Kopf und der Atem stockte ihm für einen Moment lang. Miranda Fletcher trat hervor und sie sah umwerfend aus. Absolut umwerfend. Ihr bodenlanges, smaragdgrünes Kleid schmeichelte ihrer Figur, das dunkle Haar war kunstvoll hochgesteckt. Eine Kette aus Weissgold lag um ihren Hals und ein silbernes Armband schmückte ihr Handgelenk.
Al räusperte sich und bot ihr den Arm an: “Du siehst umwerfend aus, Miranda.” Die Slytherin lächelte und ihre Augen funkelten verdächtig: “Ein bisschen Ablenkung kann ja nicht schaden. Außerdem kann Scorpius ruhig sehen, was ihm entgeht.”
Der Potter grinste amüsiert. Ja, Scorpius war echt ein Idiot, wenn er Miranda abwies und genau das hatte er auch getan. Irgendwie tat ihm die Fletcher deswegen leid, doch natürlich zeigte diese keine Schwäche, sie legte es nur darauf an, sich zu rächen. Dass Al dabei Mittel zum Zweck war, störte ihn nicht besonders.
Sie erreichten die Große Halle ziemlich schnell und mit Genugtuung nahm Miranda den Blick von Scorpius wahr. Mit hoch erhobenem Kopf stolzierte sie an ihm vorbei und zog Albus hinter sich her. Dieser hielt kurz Ausschau nach Imogene, die sich mit Nate unterhielt. Al musste zugeben, dass die Malfoy sehr gut aussah und fühlte sich fast ein wenig schlecht dabei, sie so ausgelassen mit Nathaneal zu sehen. Aber das war kein besonders großes Problem. Der Greengrass war nur ein Nebendarsteller in einem Theaterstück, das heute Abend sein Finale erleben würde.
Er wandte den Blick von Imogene ab forderte Miranda zum Tanz auf, wohlwissend, dass sie alle beide nur ein Ziel hatten. Auf den richtigen Moment zu warten.

*~*~*

Sie wurde schwächer. Mittlerweile so sehr, dass sie sich kaum noch auf den Beinen halten konnte. Doch das war gut so, denn ihr Körper war nur eine nutzlose Hülle, jetzt mehr denn je. Was hatte sie alles aushalten müssen? Sie war ins Jenseits eingetreten, wurde jedoch von jemandem ins Leben zurückgeholt, dem sie bisher nicht begegnet war. Kämpfe. Rückschläge und immer wieder knapp dem Tode entronnen. Doch es hatte sich gelohnt. Sie hatte jemanden gefunden, mit dem sie zu neuem Leben erblühen konnte. Und ihr Geist wechselte langsam und beständig den Körper, bald würde sie wieder jung und kräftig sein. Sie konnte es kaum erwarten.
Die Uhr näherte sich den letzten Stunden ihres erbärmlichen Daseins und ein Grinsen verzog ihr Gesicht zu einer abartigen Grimasse. Die fahle Haut spannte sich um die Knochen und die Narben hinterließen ein Muster. Das einst schwarze Haar hing grau und kraftlos herab, war dünn geworden. Doch all das spielte keine Rolle mehr. Bald würde sie ihr Spiegelbild wieder mögen. Zumindest mehr, als das was sie im Moment war. Und er ebenfalls.
Die Uhr schlug acht Uhr Abends. Nur noch vier Stunden. In Anbetracht ihrer Wartezeit von gut zwanzig Jahren, war das nur ein kleiner Katzensprung, den sie mit Geduld abwarten konnte.
“Genießt die letzten Stunden eures Lebens..solange ihr noch könnt”, murmelte sie mit rauher Stimme gegen die eisige Kälte, die ihren Körper erklomm, ein Lachen kroch ihre Kehle empor, ehe sie sich disapparierte um am vorgesehenen Ort zu warten..darauf, dass ihr Leben wieder lebenswert wurde.

*~*~*

Imogene drehte sich um ihre eigene Achse, ehe Nate sie wieder an sich zog. Ein warmes Gefühl machte sich in ihrem Inneren breit, das vermutlich vom Butterbier kam, doch es wäre gelogen zu behaupten, dass sie seine Gesellschaft nicht genoss. Er war sehr zuvorkommend zu ihr und erkundigte sich immer wieder, ob sie etwas trinken wollte, eine Pause brauchte oder sonstiges. Es war schon beinahe etwas nervig und doch ziemlich süß.
Auch jetzt lehnte er sich zu ihr rüber, so nah, dass seine Lippen fast ihr Ohr berührten: “Kann ich dir etwas bringen, Prinzessin?” Seine Stimme war samtig weich und doch ein wenig rauh und sein Atem, der über ihren Hals strich, weckte ein sonderbares Kribbeln in ihr. Er war das, was sie sich von Albus immer gewünscht hatte und es war fast ein wenig bitter, dass sie sich bei ihrem aufgezwugenen Verlobten so fühlte, wie sie es nunmal tat.
Als Albus mit Miranda aufgetaucht war, hatte sie unwillkürlich einen Stich aus Eifersucht verspürt, abgesehen davon sah die ältere Slytherin auch noch so verdammt gut aus, dass sie keine Chance hätte, wenn sie neben ihr stünde. Doch als Al sie angesehen hatte, war dieses Gefühl wieder verschwunden und es war in Ordnung. Denn die Verbindung war noch da.
“Würdest du mir ein Glas Wasser holen? Das wäre sehr nett”, antwortete sie Nate endlich mit einem Lächeln auf den Lippen. Wenn er sich schon so anbot, warum sollte sie es auch nicht nutzen?
Nate hauchte ihr einen Kuss auf den Handrücken und blickte grinsend zu ihr hoch: “Ich bin gleich wieder da.” Dann machte er sich auf den Weg. Kopfschüttelnd, aber amüsiert blickte Imogene ihm hinterher, ehe sie sich auf einen Stuhl setzte. Langsam taten ihr die Füße weh in den hohen Schuhen. Kaum hatte sie sich gesetzt, landete Aranea direkt neben ihr, mit erhitztem Gesicht und suchendem Blick.
“Was ist denn mit dir los?”, fragte Imogene ihre Schwester schmunzelnd. Aranea strich sich die Haare glatt und schwieg zunächst, doch dann platzte sie doch noch mit der Sprache raus: “Ich bin auf der Flucht vor Adrian. Und in gewisser Weise auch vor Fred.” Ihre Gesichtsfarbe wurde noch eine Spur dunkler. Imogene war verwirrt und das sah man ihr offenbar auch an, denn ohne nachfragen zu müssen, fing ihre Schwester an zu erklären: “Adrian wollte unbedingt rumknutschen, aber ich wollte nicht. Ich bin nur mit ihm zum Ball gegangen, damit ich nicht alleine muss. Eigentlich finde ich ihn ziemlich schrecklich. Und ich wollte Scorpius ärgern, weil er doch sein bester Freund ist.” Kurz zuckten ihre Mundwinkel verräterisch, die Andeutung eines triumphierendes Lächelns, denn als Scorpius sie gesehen hatte, war er wirklich kurz an die Decke gegangen. Imogene nickte nur und deutete ihr an, dass sie weiter erzählen sollte.
“Also, ich bin vor Adrian geflüchtet und gegen Fred gerannt. Und als Zabini mir auf den Fersen war, hab ich Fred einfach geküsst, damit er abzieht. Und dann bin ich vor Fred geflohen”, erklärte sie weiter und ihre Stimme überschlug sich dabei fast, ehe sie wieder durch den Raum blickte, “oh nein, da kommt Fred. Ich bin weg.”
Aranea sprang auf und verließ die Halle fluchtartig. Imogene blickte ihr belustigt hinterher. Es war nett, ihre Zwillingsschwester auch mal von dieser Seite zu sehen und nicht immer nur gelassen und schlagfertig.
Mit einem Mal wurde ihr schwummrig zumute. Imogene kniff die Augen zusammen, in der Hoffnung ihren Blick wieder zu klären, doch er blieb gleich verschwommen. Vorsichtig stand sie auf und schwankte zum Ausgang. Die Schüler, die sie dabei anrempelte, schüttelte sie mit einer gemurmelten Entschuldigung ab.
Ihre Füße versanken knöcheltief im Schnee und die eiskalte Nachtluft bahnte sich schon fast schmerzhaft einen Weg in ihre Lunge. Dennoch bekam sie keine Luft und ihr Herz wurde zu einem kalten Klumpen, zumindest fühlte es sich so an. Krampfhaft versuchte sie zu atmen, doch ihr wurde nur schwarz vor Augen.

“Imogene?”, wie durch tiefes Gewässer drang eine Stimme an ihr Ohr. Seine Stimme. Die Stimme des jungen Mannes, den sie seit Jahren begeherte.
“Albus”, flüsterte sie rauh und zwang ihre Augen sich zu öffnen, auch wenn es äußerst schwierig war, sich dem gemütlichen Treiben in der Wärme nicht mehr hinzugeben. Der Schwerelosigkeit und der Seligkeit, an nichts denken zu müssen und einfach vor sich hin zu träumen.
Doch seine Anwesenheit war Grund genug, sich freizukämpfen. Albus Gesicht war ihrem gefährlich nahe, er sah besorgt auf sie hinab und zum ersten Mal fiel ihr auf, dass seine Augen das Blau verloren hatten und gräulich geworden waren. Ein Fakt, der ihr unglaublich wichtig erschien.
“Was ist passiert?”, fragte die Malfoy und richtete sich langsam auf, wurde etwas rot, als sie merkte, dass ihr Kopf wohl auf seinem Schoß gelegen hatte. Etwas durcheinander sah sie sich um und stellte fest, dass sie fernab der Großen Halle waren. Oder gar nicht mehr in Hogwarts? Der Raum kam ihr zumindest nicht bekannt vor.
“Das wüsste ich gerne von dir. Als du die Halle so überstürzt verlassen hast, bin ich dir gefolg, aber als ich dich erreicht habe, lagst du schon bewusstlos im Schnee”, antwortete Albus mit ernster Miene und hielt weiterhin ihren Arm fest. Ob sie zu stützen oder an der Flucht zu hindern, sei dahingestellt.
Die Malfoy versuchte sich zu erinnern: “Mir war aufeinmal richtig schwindelig und ich habe keine Luft mehr bekommen…” Mehr wusste sie nicht mehr. Nur noch der Schmerz in ihrer Brust und dann war schon alles schwarz geworden.
Albus schwieg, doch seine Augen lagen weiterhin auf ihr mit einer Intensität, die ihr einen heißkalten Schauer über den Rücken jagte. So, wie sie sich das immer gewünscht hatte, dass er sie auch nur einmal so ansehen würde. Sofort raste ihr Herz wie ein Kolibri, doch statt sich daran zu erfreuen, versuchte sie lieber auf die Beine zu kommen. Zögerlich ließ Al ihren Arm los und etwas wackelig kam sie hoch. Dabei fiel ihr auf, dass sie keine Schuhe mehr trug. Ah. Sie standen unweit von ihr entfernt. Aber ihr war auch überhaupt nicht kalt, also waren sie vielleicht überflüssig.
Zaghaft sah sie sich im Zimmer um. Der Boden bestand aus Holzdielen und auch der Raum selbst schien aus Holz zu sein. Wäre er nicht so gut erhalten, hätte sie auf die Heulende Hütte getippt. Doch die Bilder an der Wand und das karge Mobiliar sah zu neu dafür aus.
“Wo sind wir hier, Albus?”, fragte sie und wandte sich wieder zu ihm um, ihr Blick war dabei so klar, als hätte sie diesen Zusammenbruch nie gehabt. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und sah auf den immer noch sitzenden Potter herab.
Dieser schmunzelte ein wenig und stand in einer einzigen geschmeidigen Bewegung auf, ehe er mit ein paar Schritten den Raum durchquerte: “Erkennst du es denn nicht? Ich dachte, es würde dir eher auffallen.”
Skeptisch blickte die junge Malfoy ihn an, ehe sie sich genauer umsah und langsam dämmerte es ihr, was dazu führte, dass sie fassungslos den Kopf schüttelte: “Das ist die Hütte in der Nähe von Großmutters Anwesen.”
Albus applaudierte, ein spöttisches Geräusch in ihren Augen, auch seine Miene zeigte eine Spur von Spott: “Hundert Punkte für die kleine Malfoy.” Sie sah ihm mitten ins Gesicht, musterte seine Züge und blieb bei seinen Augen hängen: “Wir sind nicht mehr die, die wir einmal waren. Wir sind Menschen, die wir nie sein wollten...hab ich recht?”

*~*~*

Narcissa blickte über die Tanzfläche, ein beunruhigendes Gefühl hatte Besitz von ihr ergriffen. Auch wenn alles friedlich und ruhig schien, abgesehen von den lauten Kapriolen der Jugend, die sich hier versammelt hatte, so wusste sie, dass etwas nicht stimmte.Doch sie konnte nicht sagen, was es war. Ruhelos schwebte sie zwischen den Schülern hindurch und blickte sich nach ihren Enkeln um, doch keinen davon konnte sie finden.
“Mrs. Malfoy, haben sie Imogene irgendwo gesehen?”, wurde sie von der Seite angsprochen und sie hielt kurz inne. Ihr Blick lag auf Lily Potter, die besorgt zu ihr hochsah.
“Ich hatte gehofft, sie würden mir das sagen können, Miss Potter”, gab sie zu und blickte wieder über die Schülermenge. Lily folgte ihrem Blick und verschränkte die Arme vor der Brust: “Sowas aber auch. Dabei wollte sie sich mit mir treffen. Ich suche dann mal weiter, danke.” Und schon war ihr roter Haarschopf zwischen den Schülern verschwunden. Cissy runzelte die Stirn. Es sah Imogene nicht ähnlich, ihre beste Freundin zu versetzen. Oder überhaupt jemanden zu versetzen.
Als sie den Blick von Miranda Fletcher kreuzte und ihr die Worte von Andromeda wieder in den Sinn kamen, traf sie die bittere Erkenntnis wie ein Schlag und ein Anflug von Panik überkam sie: “Nein. Nicht Imogene.”

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