Donnerstag, 31. Mai 2012

Kapitel 2- Partytime

Es war knapp nach Sonnenuntergang, als das Malfoy- Manor sich langsam mit Leben füllte. Natürlich kamen viele, um die Party von Scorpius Malfoy nicht zu verpassen. Abgesehen davon, dass es um einen Malfoy ging, war der Junge berühmt berüchtigt für die besten Partys überhaupt. Und gerade weil er diesen Namen trug, bedurfte es seiner persönlichen Einladung, sodass fast alle Slytherins der letzten zwei Klassen vertreten waren. Unter ihnen Adrian Zabini, Leon Goyle und die Schönheit Miranda Fletcher. Imogene saß mit ihrem Notizbuch auf einem der Sessel neben dem Kamin und war vertieft darin, ein neues Gedicht zu schreiben. Sie schenkte ihrer Umgebung wenig Beachtung. Wer jetzt jedoch glaubte, das Mädchen wäre nicht interessiert an ihren Mitmenschen, täuschte sich gewaltig. Keinem der Malfoys lag so viel an seinen Mitmenschen, wie Imogene. Ihr jetzt zu Schau gestelltes Desinteresse lag in drei Punkten. Erstens, sie war in ihr Gedicht vertieft. Zweitens, es waren alle älter als sie, wer störte sich also an einem Mädchen wie ihr. Und zu guter Letzt, mochte sie die Freunde ihres Bruders eigentlich nicht. Viele von ihnen dachten so schrecklich konservativ. Gryffindors wären Feinde, ebenso alle Potters und Weasleys. Ganz besonders schlimm war es, sich mit Rose oder Albus anzufreunden. Rose wäre ihrer Mutter viel zu ähnlich, die- um es mit den Worten ihres Vaters auszudrücken- ein kleines, dreckiges Schlammblut war. Imogene hasste diese Bezeichnung. Und Albus, so sagen sie, wäre seinem Vater zu ähnlich. Eine Nervensäge, ein Besserwisser und immer im Mittelpunkt. Mit letzterem war er Konkurrenz für Scorpius. Dabei wollte Al das gar nicht. Was ihre Familie wohl sagen würde, wenn Imogene ihnen erzählen würde, dass ausgerechnet Rose eine ihrer besten Freundinnen war? Dass ausgerechnet Albus derjenige war, der ihr Herz in letzter Zeit zu Kapriolen veranlasste? Vermutlich würden sie ihre Tochter in eine Anstalt einweisen lassen. Oder verbannen. Beides jagte ihr Furcht ein, denn auch wenn das Verhältnis unter ihnen eher kühl war, so lag zumindest ihr viel an ihrer Familie. Auch wenn diese Geheimniskrämerei definitiv nicht ihre Lieblingsbeschäftigung war. Als sie den Kopf hob, um sich gewohnheitshalber umzusehen, traf sie Scorpius genervter Blick. Oder war er schon eher strafend? Sie blickte ein wenig eisig zurück. Er hatte doch darauf bestanden, sie hier zu haben, also brauchte er sich nicht zu wundern, wenn sie sich jetzt selbst beschäftigte. “Was?”, fragte sie, als er sie noch immer ansah und ihr Bruder kam auf sie zu. “Liebe Imogene, wieso vergräbst du deine Nase in den Büchern, statt dich mit den Leuten zu unterhalten? Du kannst mir doch nicht allen Ernstes erzählen, dass zwischen all den Gästen niemand ist, der deine Aufmerksamkeit erregen kann?”, fragte Scorpius mit einem süffisanten Grinsen. Das machte die junge Malfoy ziemlich misstrauisch. Warum legte ihr Bruder Wert darauf, dass sie sich mit jemandem unterhielt? “Ich bin eben einfach nicht interessiert an kopflosen Unterhaltungen, wie sie nur deine Freunde zu führen verstehen”, antwortete Imogene in leicht überheblichem Tonfall, während sie ihren Blick über die Gäste schweifen ließ. Ein Teil davon war bereits jetzt schon angetrunken und das fand die Blonde einfach nur widerwärtig. “Du bist viel verklemmt, Schwesterherz. Sieh nur, wie sich alle amüsieren und du sitzt hier und liest ein Buch!”, kommentierte Scorpius abermals und zog seinen Freund Jason Helling zu sich. Imogene seufzte auf. Der Sechstklässler hatte schon einige Male offen Interesse an ihr bekundet, doch sie mochte ihn nicht. Er war ihrem Bruder ähnlich, nur noch schlimmer in Sachen Arroganz. “Also los, amüsiert euch”, grinste Scorpius und machte sich aus dem Staub. Imogene warf Jason einen kurzen Blick zu, ehe sie sich wieder ihrem Buch widmete. “Sei doch nicht so kalt, kleine Lady”, sagte Jason schmunzelnd zu ihr und setzte sich neben ihrem Stuhl zu Boden, “lass uns doch tanzen.” “Kein Bedarf”, erwiderte die junge Malfoy kühl und machte sich noch etwas kleiner. Ihre Haare verdeckten zum Glück ihr Gesicht, denn die Gleichgültigkeit ihrer Miene war beinahe erschreckend. Man konnte eben daraus lesen, wie wenig sie sich für die Leute in diesem Raum interessierte. Jason ließ jedoch nicht locker: “Ach komm schon! Mister Cool und Lady Cute, wir sind perfekt für einander geschaffen!” Das blonde Mädchen schnaubte. Das war doch lächerlich! Als ob sie sich für so einen Trottel interessieren würde. Ihr Herz gehörte längst jemand anderem. Nicht, dass sie dies irgendjemandem sagen würde. Ihr böser Blick traf Scorpius, der sie nur hämisch angrinste und sein Glas mit Feuerwhiskey hob. Nach weiteren quälenden fünf Minuten in Jasons Gegenwart, erhob sich Imogene genervt von ihrem Platz und ging auf die Minibar zu. Ein kleines Butterbier durfte sie ja wohl trinken. Sie griff nach einem Glas, als Scorpius schon wieder neben ihr auftauchte. “Wieso bist du so gemein zu Jason? Du brichst ihm das Herz, Schwesterherz”, sagte er in lästerhaftem Tonfall und Gene sah deutlich, wie er sich das Grinsen verkniff. “Als ob dich das interessieren würde, Scorp”, entgegnete sie trocken, “außerdem ist er ein Idiot.” Sie trank einen Schluck von dem Butterbier und sah sich wieder um. Mittlerweile war die Party so weit fortgeschritten, dass die meisten Hemmungen gefallen waren und die Gäste eng aneinander tanzten, andere auch rumknutschten. Imogene fand das ziemlich widerlich, wenn sie ehrlich war. Mit Anstand hatte das nichts mehr zu tun. “Du weißt einfach nicht, was gut ist, Imogene. Er wäre eine gute Partie. Seine Eltern sind reich, er sieht nicht schlecht aus und er ist gar nicht so unbeliebt”, zählte Scorpius grinsend auf. “Dann heirate ihn doch”, meinte das Mädchen nun unwirsch und trank noch etwas von dem Butterbier, bevor es ihr aus der Hand genommen wurde. Böse funkelte sie ihren Bruder an: “Gib es mir sofort wieder!” Er hob die Hand: “Einen Moment, Kleine!” Der Malfoy drehte sich kurz um mit dem Glas und hantierte herum, ehe er ihr das Glas wieder in die Hand drückte. “Hier trink.” Misstrauisch verzog seine Schwester das Gesicht. Das Getränk roch gar nicht nach Butterbier. Viel eher nach Feuerwhiskey. Und das konnte die Fünfzehnjährige so gar nicht ab. “Willst du mich vergiften?”, fragte sie vorwurfsvoll und schob das Glas von sich. Plötzlich wurde ihr von hinten der Arm um die Taille gelegt. Sie zuckte zusammen, als ihr Jasons Geruch in die Nase stieg und seine Stimme nah an ihrem Ohr erklang: “Komm schon, Principessa! Sei mal ein bisschen lockerer. Nimm dir ein Beispiel an deinem coolen Bruder.” Genervt schüttelte Imogene den Arm ab und trat einen Schritt zurück. Eine spitzzügige Bemerkung lag dem Mädchen auf der Zunge, doch sie sprach es nicht aus. Stattdessen griff sie wieder nach dem Glas. Vielleicht konnte ihr der Alkohol doch den Abend erleichtern. Also kippte sie das grässliche Zeugs in einem Zug runter. Eine halbe Stunde später saß Imogene auf Jasons Schoß, während seine Stimme auf sie einrieselte. Sie empfand es fast als angenehm, da er eine warme, tiefe Stimme hatte, außerdem war er etwas heiser, was ihr auch ganz gut gefiel. Aus dem Augenwinkel sah sie das triumphierende Grinsen ihres Bruders und wären ihre Sinne nicht so von dem ganzen Alkohol vernebelt, dann wäre sie wohl höchst sauer auf ihn. “Weißt du, Kleines...du bist schon etwas sehr Besonderes”, nuschelte Jason und strich der Blonden eine Haarsträhne aus dem Gesicht, “hübsch wie eine Elfe. Süß wie Honig. Du riechst nach nachtblühenden Rosen und deine Stimme ist zart wie die Saite einer Harfe.” Unwillkürlich musste Imogene auflachen: “Das ist so kitschig!” Dem folgte ein leicht kehliges Lachen von Jason: “Mh, mag sein, kleine Lady...aber ich kann einfach nicht anders..” Er beugte sich nach vorne und presste seine Lippen auf Imogenes, auf bestimmende und harsche Weise. Im ersten Moment war die junge Malfoy zu gelähmt vor Schreck und Überraschung, um sich dagegen zur Wehr zu setzen. Was hat das zu bedeuten? Er soll mich loslassen!, schoss es ihr durch den Kopf und zaghaft fing sie an, doch zu versuchen, sich seinem Griff zu entwenden. Doch lange hielt ihr Protest nicht an, denn die Art wie er sie küsste, machte Imogene schwach. Und so verschwanden ihre Gedanken um ihren Schwarm, ihr Unwille diesem Kerl näher zu kommen und ihre Vernunft weit in eine Ecke ihres Gehirns. Jason bemerkte, dass sie ihren Widerstand aufgab und tastete sich mit einer Hand unter den Saum ihres Rockes, strich über ihren Oberschenkel, während er sie mit der anderen Hand im Nacken an sich gepresst hielt. Es war ziemlich deutlich, wie weit er zu gehen bereit war- nämlich aufs Ganze. Hitze kroch durch Imogenes Venen, als sie diese Möglichkeit in Betracht zog. Im Moment würde sie sich wirklich alles zutrauen, denn klare Gedanken konnte sie keine mehr fassen, soviel stand fest. Jason sah das wohl ähnlich, denn seine Hand wanderte zur Vorderseite ihrer Bluse und er knöpfte die ersten beiden Knöpfe auf. Plötzlich wurde seine Hand jedoch weggezogen und Scorpius stand vor ihnen: “Treibt es nicht zu weit!” Verdutzt sah Gene ihren Bruder an. Zuerst wollte er sie unbedingt mit dem Idioten zusammen bringen und nun wo sie beschäftigt waren, hatte er ein Problem damit? Männer und Logik! “Sorry, man”, meinte Jason schulterzuckend und hob Imogene von seinem Schoß: “Ich hole uns mal etwas zu trinken.” “Okay”, meinte Imogene kichernd und streckte ein Bein in die Luft. So schrecklich war die Party ja doch nicht. Vier Gläser Feuerwhiskey später spielte die junge Malfoy mit den “Erwachsenen” Wahrheit oder Pflicht. Sie hatte keine Ahnung mehr, wieviele Lippen sie schon geküsst hatte und wieviele Fragen beantwortet, aber bei der Frage nach ihrem Schwarm war sie hartnäckig schweigsam geblieben. Niemand durfte davon erfahren. Außer eine gewisse Person. Mit Schwung ging die Tür zum Salon auf und alle Anwesenden wandten sich der Tür zu. Verblüffung machte sich breit, als ein blondes Mädchen in der Tür erschien, höchstens fünfzehn oder sechzehn Jahre alt und beinahe ein Ebenbild von Imogene. “Was ist hier denn los?”, fragte Aranea Leonore Malfoy in misstrauischem Tonfall und ehe einer der Anwesenden groß etwas sagen konnten, flog Imogene ihrer Zwillingsschwester schon um den Hals. “Swesterhers...du bischt wieder da!”, säuselte die Blonde und drückte ihre Schwester. Aranea drückte sie kurz zurück und verzog angewidert das Gesicht: “Imogene, bist du etwa betrunken?” Gene löste sich von ihrer Schwester und sah sie unschuldig an: “Nur’n bis’en angetrungen!” Scorpius grinste: “Na na macht mal nicht so einen Wirbel darum. Das ist eine Party, da darf man ruhig was trinken.” Nea warf ihrem Bruder einen vernichtenden Blick zu: “Du solltest doch auf sie aufpassen! Das ist nicht zu fassen!” Kurzerhand schnappte Aranea ihre Schwester an der Hand und zog sie mit sich aus dem Saal. Imogene winkte den Anwesenden noch zu. “Ich kann es nicht glauben! Was hast du bitte alles getrunken? Wieso hast du soviel getrunken? Und warum um alles in der Welt warst du überhaupt auf der Party?”, schimpfte Aranea vor sich hin. Sie war ein wenig enttäuscht, denn Imogene hatte sich bisher nie die Blöße gegeben, sich zu blamieren, dadurch, dass sie zuviel trank! Normalerweise war sie sogar vernünftig genug, sich aus Scorpius’ Feiern rauszuhalten! Gene stolperte hinter Nea her, versuchte einfach nur, mit ihr irgendwie Schritt zu halten. “Es tut mir leid...isch wollte ja nich auf die Barty...zuerst hab ich misch mit einem B..Buch in die Ecke gesetzt”, erklärte sie ihrer Schwester und entzog ihr ihre Hand. Dann verschränkte sie die Arme vor der Brust: “ Scorp wollte misch mit Jason verkuppeln, aber ich kann den Kerl nischt ausstehn...Irgendwann war es mir su blöd und isch hab halt ein bis’sen Feuerwhiskey getrunken..” Okay, das bisschen war wohl ein bisschen mehr gewesen, aber eigentlich war es doch nicht so tragisch. Nea schüttelte den Kopf: “Und sowas von dir! Ich dachte eigentlich, du wärst vernünftig genug...” Sie stieß die Tür zu Imogenes Zimmer auf und schob ihre Schwester hinein. “Du gehst jetzt ins Bett und schläfst deinen Rausch aus, klar? Wenn Mom und Dad dich morgen so sehen, köpfen sie dich!”, meinte Nea dann bestimmt, während sie Imogene aufs Bett drückte. Sie half ihr aus den Klamotten und holte ihr noch ein Glas Wasser. “Tut mir leid”, entschuldigte sich Imogene leise und verkroch sich unter der Decke. Sie hatte nun doch ein schlechtes Gewissen. So hatte sich Aranea die Rückkehr von ihren Großeltern sicher nicht vorgestellt. “Nicht so schlimm. Sieh einfach zu, dass du morgen wieder fit bist...” Imogene lächelte etwas. Wie toll ihre Schwester doch war. Sie konnte sich immer auf sie verlassen. “Nealein? Ich liebe dich. Total”, nuschelte sie leise lächelnd und drückte ihrer Schwester einen Kuss auf den Handrücken, “ich bin froh, dass du wieder da bist.” Das brachte Aranea trotz ihres Ärgers wieder zum Lächeln: “Ich freu mich auch. Und jetzt schlaf gut, wir haben morgen viel zu besprechen.” Mit diesen Worten entschwebte sie dem Zimmer und Imogene schlief so schnell ein, wie noch nie in ihrem Leben.

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