Samstag, 19. Mai 2012

Kapitel 1 - Unterschiede

Es war ein kühler und vernebelter Morgen. Der letzte Tag im August 2022, brach also außergewöhnlich kühl an. Im Hause Malfoy herrschte bereits seit frühesten Stunden reges Treiben, die Hauselfen waren geschäftig in der Küche und im Speisesaal. Scorpius Malfoy, seines Zeichens Frauenliebhaber und Unruhestifter hochwohlgeboren, feierte seinen siebzehnten Geburtstag an diesem Tag.

Im Moment jedoch, lag er ziemlich breit am Boden seines Zimmers, schnarchte und machte allgemein einen ziemlich zerstörten Eindruck. Seine jüngere Schwester Imogene hockte neben ihm und wartete mit einem amüsierten Grinsen darauf, dass er aufwachte. Sie hatte sich einen Spaß daraus gemacht, sein Gesicht mit Karnevalsfarben zu bemalen und hatte dies auch schon festgehalten. So hatte sie ihn in der Hand, gegen seine Freunde, wenn Scorpius gedachte, sie wegen irgendwelcher Kleinigkeiten auffliegen zu lassen. Das Malfoy-typische blonde Haar fiel über ihre Schulter, während sie sich nach vorne beugte und vorsichtig die Wange ihres Bruders piekste. Vielleicht bekam sie ihn so ja wach. Und tatsächlich, er regte sich und gab ein Brummen von sich, was Imogene dazu veranlasste, leise zu kichern. “Na Bruderherz? Hast du schon in deinen Geburtstag reingefeiert?”, wollte sie grinsend wissen und als er die Augen öffnete und sie anstarrte, richtete sich das Mädchen zu ihrer vollen Größe auf. Ihre Miene nahm einen unschuldigen Ausdruck an: “Was siehst du mich denn so an, lieber Scorpius?” “Du hast doch sicher irgendwas angestellt...was machst du überhaupt in meinem Zimmer?”, fragte ihr Bruder und rappelte sich auf, dann fuhr er sich mit der Hand durch die zerzausten Haare. “Ich war ganz brav. Ich wollte dich eigentlich nur aufwecken. Das Frühstück ist fertig”, teilte Imogene ihm grinsend mit, ja sie verkniff sich sogar ein Lachen. Er sah eben einfach zu komisch aus mit den Malereien im Gesicht. Scheinbar hatte sie ihn wohl zu lange angestarrt, denn Scorpius wandte seinen Blick zum Spiegel und erstarrte dann. Wut zeichnete sich in seinem Gesicht ab und mit eben dieser sah er die junge Malfoy nun an: “Imogene Genevive Malfoy! Was zum Teufel fällt dir ein, du idiotisches Biest?” Mit einer fahrigen Handbewegung tastete er nach seinem Zauberstab und stieß ein Knurren aus, als er diesen nicht finden konnte. Imogene grinste triumphierend und wirbelte besagten Stab zwischen den Fingern. “Tut mir leid, Bruderherz, aber du glaubst ja wohl nicht, dass ich so einfältig bin, dein Gesicht voll zu malen, ohne vorher deinen Zauberstab zu beschlagnahmen?”, kicherte sie leise und drehte sich einmal um ihre eigene Achse. Scorpius Hand bebte vor Zorn. “Gib mir sofort meinen Zauberstab zurück!”, forderte er mit donnernder Stimme, welche die Fünfzehnjährige zusammenzucken ließ. Imogene warf ihrem Bruder einen erbosten Blick zu und verschwand zur Tür, von wo aus sie ihm den Zauberstab zuwarf und dann eilig aus der Schusslinie verschwand.


* Eine halbe Stunde später waren die Malfoys im Speisesaal versammelt. Der lange, marmorne Tisch war prunkvoll gedeckt und doch wirkte es schrecklich fehl am Platz. Die distanzierte Kälte, die im Raum hing, schuf eine Wand aus persönlichem Desinteresse und weckte fast den Anschein, man befände sich auf einer Todesfeier und nicht auf einem Geburtstag. “Sohn”, erklang die etwas überhebliche Stimme von Draco, als er den Tagespropheten beiseite legte. Sein Blick drückte Respekt aus, jedoch nicht mehr. Keine Spur von Zuneigung oder gar elterlicher Liebe. Imogene verabscheute dieses kalte Verhältnis ihrer Familie zueinander. Seit sie gemerkt hatte, wie familiär und herzlich es bei den Potters und Weasleys zuging, wünschte sie sich sehnlichst, dass es auch bei ihnen zumindest annähernd so sein könnte. Aber dies würde wohl auf ewig ein Wunschdenken ihrerseits bleiben. Das Mädchen beobachtete, wie Scorpius aufstand und auf seinen Vater zuging. Dann sah sie weiter zu ihrer Mutter Astoria, welche starr auf ihren Teller blickte, ebenso emotionslos, wie die Stimme Draco’s klang. Doch Imogene hatte den Verdacht, dass dies einen gänzlich eigenen Grund hatte. Ihr war aufgefallen, wie rasch das Verhältnis zwischen ihren Eltern in letzter Zeit abgekühlt war. Und immer öfter stellte sich die junge Malfoy die Frage, ob ihr Vater seine Frau jemals wirklich geliebt hatte oder ob es letztendlich nur eine Zweckehe war. Sie fände beides nicht sonderlich schön, aber bei ersterem bestand zumindest noch etwas Hoffnung. Hoffnung darauf, dass sie irgendwo in den tiefsten Abgründen ihrer Herzen, doch eine Familie waren. Sie wurde aus ihren Gedanken gerissen, als Scorpius sich wieder ihr gegenüber niederließ und ein Schatten von Stolz auf seinem Gesicht zu lesen war. Also schob Imogene ihre ketzerischen Gedanken erstmal zur Seite und blickte ihren Bruder mit einer Mischung aus Neugier und Aufmerksamkeit an. “Was gibt’s denn zum Stolz sein?”, wollte sie wissen und legte ihr zauberhaftes Lächeln auf, dem normalerweise niemand widerstehen konnte. Niemand, außer ihrem Bruder Scorpius. Dieser schenkte ihr einen mitleidigen Blick und zog es erstmal vor, zu schweigen. Das machte Imogene jedoch sauer und sie fing an, ihn unterm Tisch zu treten. “Sags mir, sags mir, sags mir!”, forderte sie ungeduldig und ließ ihn dabei nicht aus den Augen, trat ihn immer weiter. Scorpius zischte und sah sie böse an: “Hör auf damit, Imogene!” “Dann sag mir den Grund!” “Hört auf jetzt!”, hallte die Stimme Draco’s genervt von den Wänden wieder und sofort verstummten die Kinder. Imogene hörte jedoch nicht damit auf, ihren großen Bruder böse anzufunkeln, bis dieser schließlich so genervt davon war, dass er aufgab. Scorpius hob sein rechtes Handgelenk, an welchem eine silberne Uhr baumelte. Auf dem Ziffernblatt war das Familienwappen der Malfoys eingraviert und kleine Diamanten funkelten über jeder Ziffer. Das ist so typisch, dachte Imogene achtlos. Dass ihre Familie immer so protzig sein musste. Sie musste zwar zugeben, dass sie auch schöne Dinge bevorzugte und den Wohlstand genoss. Aber niemals protzte sie damit übermäßig herum. “Schick”, meinte sie trocken und ärgerte sich insgeheim. Dafür hatte sie genervt? “Imogene? Wir wollen heute neue Festumhänge besorgen. Hast du einen bestimmten Wunsch?”, mischte sich Astoria ein, bevor es wieder eskalieren konnte. Die junge Malfoy sah ihre Mutter an und strich durch ihre blonden Haare. Sie haderte mit sich, wusste nicht, ob sie ihren Wunsch aussprechen sollte. Ein unsicherer Blick wanderte zu ihrem Vater, ehe sie sich ihrer Mutter hinbeugte: “Ich würde gern viel lieber ein Kleid haben.” Überrascht sah Astoria sie an: “Ein Kleid? Du hast doch genügend Kleider.” Imogene seufzte leise auf, das hatte sie erwartet. Sie wollte keine weitere Erklärung abgeben. Stattdessen wandte sie sich an ihren Vater: “Darf ich aufstehen?” Draco sah sie durchdringend an und einen Moment lang sah es so aus, als wollte er ihr die Bitte verwehren. Doch letztendlich nickte er nur knapp und erleichtert seufzte Imogene auf, legte ihre Serviette von ihrem Schoß auf den Tisch und erhob sich geräuschlos. Sie nickte ihrer Familie kurz zu und das Flüstern ihrer Schuhsohlen war das einzige Geräusch in dem riesigen Raum.


* Als Imogene die Tür hinter sich geschlossen hatte, lehnte sie sich gegen diese und atmete tief durch. Am liebsten wollte sie schreien, doch stattdessen biss sie sich so stark auf die Unterlippe, dass diese fast blutete. Sie konnte es kaum erwarten, wieder in Hogwarts zu sein. Ihr Blick wanderte zu ihrer Halskette, an der ein Medallion hing, ebenfalls mit dem Familienwappen. Der Drang, es abzureißen, war fast unwiderstehlich und sie schloss ihre Hand schon um das Schmuckstück, als einer der Hauselfen den Gang entlang kam. Als hätte sie sich die Hand verbrannt, ließ Imogene das Medallion hastig los und lächelte dem Hauselfen zu, als er an ihr vorbeihuschte. Wann hatte sie begonnen, so wütend auf ihre Familie zu sein? Trotz der Distanz zwischen ihnen, liebte sie sie doch. Als sie aus dem Speisesaal das Rücken von Stühlen hörte, stieß die Blonde sich von der Tür ab und beeilte sich, die Eingangshalle zu durchqueren, um in ihr Zimmer zu kommen. Dort angekommen, schloss Imogene direkt die Tür hinter sich und ließ ihren Blick durchs Zimmer schweifen. Ihr Bett war schwarz, mit silberner Bettwäsche und grünem Baldachin. Ebenso wie der Rest ihres Zimmers, war alles in den Farben Slytherins gehalten. Und auch hier kam die Familienzuteilung nicht zu kurz: Ein riesiges Familienwappen prangte an der Wand gegenüber ihres Bettes. Imogene fühlte sich komplett fehl am Platz. Sie hatte das blonde Haar der Malfoys. Die blauen Augen ihrer Mutter. Doch ihr Herz und ihr Charakter passten nicht ins Muster. Zumindest immer seltener. Vielleicht lag es daran, dass Lily und Rose auf sie abfärbten. Vielleicht aber auch daran, dass sie nicht ständig unter Beobachtung stand und zum Teil der Erziehung ihrer Eltern entfliehen konnte. Kurzentschlossen setzte Imogene sich an ihren Schreibtisch und begann, einen Brief an ihre Freundinnen zu schreiben. Sie musste sich einfach irgendwie abreagieren. *~*~*~* Albus Serverus Potter saß seiner Schwester Lily gegenüber und starrte sie durchdringend an. “Petrificus Totalus”, sagte die rothaarige Potter und hielt angespannt die Luft an. Hatte sie richtig im Kopf? Zu ihrer Freude nickte Albus: “Das war richtig. Tja..ich schätze, du kannst jetzt alle, Lils. Zumindest in der Theorie. Ob es in der Praxis auch klappt, weiß ich natürlich nicht.” Lily jubelte: “Damit wäre es kein Problem mehr, Peterson zu schocken!” “Worum geht es?”, erklang die Stimme von James, der gerade die Küche betrat. Albus warf seiner kleinen Schwester einen warnenden Blick zu, doch diese plapperte gleich drauflos: “Al hat mir ein paar Sprüche gesagt, mit denen ich mich gegen Peterson wehren kann. Du weißt schon, dieser blonde Typ aus Hufflepuff.” James warf zuerst seiner Schwester, dann seinem Bruder einen Blick zu: “Ist das euer Ernst? Das ist doch Kinderkram.” Lily warf erbost ihre Haare zurück und funkelte ihren ältesten Bruder an: “Soll ich mir das etwa gefallen lassen, James?” Einen Moment lang sah James seine Schwester todernst an- dann fing er an zu grinsen: “Aber natürlich nicht, Schwesterchen. Ich zeig dir etwas viel besseres als Zaubersprüche.” “James-”, fing Al an, doch sein Bruder schnitt ihm das Wort ab, in dem er die Hand hob. “Vergiss es, Albus. Jetzt wo ich nicht mehr mit euch in der Schule bin, um auf euch aufzupassen, müsst ihr euch selbst verteidigen können”, erklärte James seinen Geschwistern und ignorierte die protestierende Miene von Albus. Dann schnappte er seine Schwester an der Hand und zog sie aus der Küche. Albus seufzte auf und schüttelte den Kopf. James hatte schon immer Begabung für Blödsinn gehabt und nach und nach färbte das auch auf ihn und Lily ab. Das war wirklich zum Haareraufen.

Die Tür ging ein weiteres Mal auf und seine Cousine Dominique kam in die Küche, gefolgt von Hugo, Rose und Roxanne. Die vier sahen aus, als wären sie durch den Fleischwolf gejagt worden und besorgt sprang Al auf. “Was ist euch denn passiert?”, fragte er und musterte seine Cousinen und seinen Cousin. Roxie warf ein paar Stückchen Holz auf den Tisch und sah Albus düster an: “DAS ist passiert. Wir haben gegen ein paar Leute Quidditch gespielt und einer von ihnen fand es wohl lustig, uns komplett fertig zu machen! Mein Besen ist total im Eimer und Hugo’s hat auch einiges abbekommen. Rose hatte ein verstauchtes Handgelenk, Domi konnte es aber richten.” Fassungslos starrte Albus Roxie an und schüttelte dann den Kopf: “Ihr legt euch aber auch mit allen an.” Nun war es Dominique, die sich einmischte: “Das war keine Absicht! Wir ‘aben sie schon länger spielen se’en und ‘aben sie nur herausgefordert, weil es uns langweilig war, immer gegen die Familie zu spielen.” In einer grazilen Bewegung, wie sie nur eine Veela ausführen konnte, ließ sie sich auf einen Stuhl sinken. Ihr langes, rötlich-blondes Haar ergoss sich in Wellen über ihren Rücken. Mit einem einfachen Fingerschnippen flogen ihr Nagelfeile und Nagellack zu und mithilfe von Magie ließ sie sich maniküren. Rose holte sich ein Glas Wasser, welches sie in einem Zug leerte und ihre braunen Augen verengten sich zu Schlitzen: “Ich habe euch doch schon vorher gesagt, dass das keine gute Idee ist. Und ich habe euch auch gesagt, dass ich nicht gut im Quidditch bin.” “Dir gibt doch niemand die Schuld, Schwesterchen”, versuchte Hugo sie zu beruhigen und lächelte leicht. Als Ruhepol der Familie gelang ihm das natürlich auch gleich. “Na schön...ich werde dann mal duschen gehen”, meinte Rose und mit einem kurzen Nicken verschwand sie nach oben. “Hättet ihr Lily, James oder mich gefragt, hättet ihr gewonnen”, gab Albus mit einem Grinsen und rappelte sich auf, “wir sind schließlich alle im Quidditch-Team.” Dominique’s glockenhelles Lachen füllte den Raum. “Ja, natürlisch. Aber Roxie und ‘Ugo sind ebenfalls im Team”, meinte sie grinsend und verscheuchte die Nagelpflegedinge. “Es wäre besser gelaufen, wenn die anderen fair gespielt hätten”, erklärte Roxie seufzend und starrte einen Moment lang aus dem Fenster. Schließlich sprang sie auf und wirbelte zu den andren herum: “Das werden sie noch büßen! Aber jetzt gehe ich erstmal zu Dad. Wir sehen uns beim Abendessen!” Damit entschwand auch sie. Zurück blieben nur noch Hugo, Domi und Al und ein angenehmes Schweigen breitete sich aus.

Mit einem Lächeln beobachtete Albus die anderen. Manchmal war es anstrengend, in so einer großen Familie zu leben, aber er wollte keinen von ihnen hergeben. Niemals. “Al..hey, Al”, drang die Stimme Hugos an sein Ohr und der Schwarzhaarige tauchte blinzelnd aus seinen Gedanken auf. “Was gibts?”, wollte er wissen und Hugo grinste. “Du träumst vor dich hin”, erklärte der Jüngere, “ist ein Mädchen im Spiel?” Mit großen Augen sah Albus ihn an: “Quatsch. Ich habe gerade dran gedacht, wie cool es ist, so eine Familie wie unsere zu haben.”

Und er wusste nicht, wie sehr jemand anderes sich das auch wünschte...

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen